Review of “Europe’s Promise”: Europe as a role model?
Frankfurter Allgemeine Zeitung, October 11, 2010
Review by Erich Weede of Steven Hill’s book Europe’s Promise: Why the European Way is the Best Hope in an Insecure Age
Steven Hill is Director of the Political Reform Program of the New America Foundation. In his book he compares the economy, society and politics of Europe and America. As titles and subtitles indicate, Europe performs well, while the United States is judged critically. Hill uses unusual terms. Where others talk about the welfare state or the social market economy, he uses the terms “workfare state” or “social capitalism”, presumably to contribute to legitimizing the European way among his American readers. To convey an impression of diversity, the topics of the seven parts should be given here: social capitalism, health, sustainability, globalization, pluralism, social contract, Europe’s viability.
According to Hill, Europe’s economy and society are simply more humane, more liveable, and ultimately more efficient than those organized in the United States. One should not be led astray by interpretations of the differences in some key figures that are common in the United States, but rejected by Hill. While per capita income growth in the Americas has been much better than it has been in Europe before 2008, the mass of Americans has had very little in the face of the particularly unequal income distribution. According to Hill, Europe is experiencing less growth in providing better living conditions for the mass of people. Hill also sees no major transatlantic differences in terms of unemployment: as far as differences in favor of America existed before 2008, This can be attributed to the fact that Americans detain a larger proportion of the population in prisons and prisons. For the inmates, the risk of unemployment would probably be much higher than for the rest of the population. This is an unusual but not unreasonable argument.
Even with the tax burden, Hill concludes that the differences are not large, taking into account all taxes (not just the federal level), all social security contributions, and the private co-payments that Americans have to make in healthcare or university. Although Hill does not deny that the nominal tax burden in America is somewhat below Europe’s, Americans do not benefit because they have to pay much more than their European counterparts for their health, social security, or their children’s education.
Hill admires public health insurance and public health care for all in Europe, safe and, compared to America, generous pensions, long-term helpful unemployment benefits, works councils and co-determination in companies, express trains, public transport, cycle paths and pedestrian areas. For Hill, Europe is an island of the blessed, where solidarity, participation and sustainability prevail. Only in the graying of Europe and in the integration of immigrants he sees dramatic challenges. Hill sees a connection between the advantages of Europe’s economy and society, or of America’s defects on the one hand, and the political systems on the other. In Europe, he praises the widespread proportional representation, in America he laments the majority voting and the over-representation of conservative, sparsely populated states in the Senate. In short, Hill considers Europe more democratic and less militaristic.
How can you rate the book? Although Hill make mistakes, but they are marginal. He argues biasedly in praising the Danish labor market, but neglecting youth unemployment in Mediterranean countries (with much more population than Denmark); when he complains about the over-representation of some states in the US Senate, but says nothing about the same phenomena in the German Bundesrat or in the European Parliament. Certainly, Hill is closer to Social Democrats and Greens than Conservatives or Liberals (in the European sense of the word). But the fewest Social Democrats or Greens succeed in such a convincing justification of the European way, which even opponents of his view are compelling to think about.
Erich Weede
(in German) Steven Hill ist Direktor des “Political Reform Program” der New America Foundation. In seinem Buch vergleicht er Wirtschaft, Gesellschaft und Politik Europas und Amerikas. Wie Titel und Untertitel andeuten, schneidet Europa gut ab, während die Vereinigten Staaten kritisch beurteilt werden. Dabei verwendet Hill unübliche Begriffe. Wo andere vom Wohlfahrtsstaat oder auch sozialer Marktwirtschaft reden, da verwendet er die Begriffe “workfare state” oder “social capitalism”, vermutlich um zur Legitimation des europäischen Weges bei seinen amerikanischen Lesern beizutragen. Um einen Eindruck von der Vielfalt zu vermitteln, sollen hier die Themen der sieben Teile angegeben werden: Sozialkapitalismus, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Globalisierung, Pluralismus, Sozialvertrag, Überlebensfähigkeit Europas. Typische Quellen des Buches sind weniger wissenschaftliche Werke als vielmehr Zeitungsmeldungen.
Nach Hill sind Wirtschaft und Gesellschaft in Europa einfach menschlicher, lebenswerter und letztlich auch effizienter als in den Vereinigten Staaten organisiert. Dabei sollte man sich nicht von in den Vereinigten Staaten gängigen, aber von Hill zurückgewiesenen Interpretationen der Unterschiede bei manchen Kennziffern irreführen lassen. Zwar ist das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens in Amerika vor 2008 lange besser als in Europa gewesen, aber in Anbetracht der besonders ungleichen Einkommensverteilung hatte die Masse der Amerikaner davon fast nichts. Nach Hill kommt Europa mit weniger Wachstum aus, wenn es darum geht, der Masse der Menschen bessere Lebensbedingungen zu bieten. Auch bei der Arbeitslosigkeit sieht Hill keine großen transatlantischen Unterschiede: Soweit es (vor 2008) Unterschiede zugunsten Amerikas gab, können die darauf zurückgeführt werden, dass die Amerikaner einen größeren Bevölkerungsanteil in Gefängnissen und Zuchthäusern inhaftieren. Bei den Häftlingen wäre das Risiko der Arbeitslosigkeit vermutlich sehr viel höher als beim Rest der Bevölkerung. Das ist zwar ein ungewöhnliches, aber kein unvernünftiges Argument.
Selbst bei der Steuerbelastung kommt Hill zu dem Schluss, dass die Unterschiede nicht groß sind, wenn man alle Steuern (nicht nur die Bundesebene), alle Sozialabgaben und die privaten Zuzahlungen berücksichtigt, die Amerikaner etwa im Gesundheitswesen oder beim Universitätsbesuch leisten müssen. Hill leugnet zwar nicht, dass die nominale Abgabenbelastung in Amerika etwas unter der Europas liegt, aber die Amerikaner haben nichts davon, weil sie aus ihrem Nettoeinkommen viel mehr als die Europäer für ihre Gesundheit, ihre soziale Absicherung oder die Ausbildung ihrer Kinder bezahlen müssen.
Hill bewundert gesetzliche Krankenkassen und öffentlich geregelte Gesundheitsfürsorge für alle in Europa, sichere und, verglichen mit Amerika, großzügige Renten, langfristig hilfreiche Arbeitslosenunterstützung, Betriebsräte und Mitbestimmung in Unternehmen, Schnellzüge, öffentlichen Nahverkehr, Radwege und Fußgängerzonen. Europa ist für Hill eine Insel der Seligen, wo Solidarität, Partizipation und Nachhaltigkeit herrschen. Nur im Ergrauen Europas und bei der Integration der Zuwanderer sieht er dramatische Herausforderungen. Hill sieht einen Zusammenhang zwischen den Vorzügen von Wirtschaft und Gesellschaft Europas beziehungsweise den Defekten Amerikas einerseits und den politischen Systemen. In Europa lobt er das weit verbreitete Verhältniswahlrecht, in Amerika beklagt er das Mehrheitswahlrecht und die Überrepräsentation konservativer, dünn besiedelter Staaten im Senat. Kurz: Hill hält Europa für demokratischer und weniger militaristisch.
Wie kann man das Buch bewerten? Zwar unterlaufen Hill Fehler, aber die sind Randerscheinungen. Er argumentiert parteiisch, wenn er den dänischen Arbeitsmarkt lobt, aber die Jugendarbeitslosigkeit in den Mittelmeerländern (mit viel mehr Bevölkerung als Dänemark) vernachlässigt; wenn er die Überrepräsentation mancher Staaten im amerikanischen Senat beklagt, aber nichts zu denselben Erscheinungen im deutschen Bundesrat oder im Europäischen Parlament sagt. Sicher steht Hill Sozialdemokraten und Grünen näher als Konservativen oder Liberalen (im europäischen Sinne des Wortes). Aber den wenigsten Sozialdemokraten oder Grünen gelingt eine so überzeugende, auch Gegner seiner Auffassung zum Nachdenken zwingende Rechtfertigung des europäischen Weges.
ERICH WEEDE